Anomalie - Zyklus Thorben Perth

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Schreiben statt Reden


Zu reden, heisst spontan sein. Spontanität ist einer meiner Feinde seit jeher. Alles soll sich ja schliesslich in geordneten Bahnen bewegen. Aber ohne Reden geht es eben nicht. Es ist ein notwendiges Übel, damit man nicht aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird.

Die deutsche Sprache hat zudem die Angewohnheit, unendliche Möglichkeiten an Variationen zu bieten. Wenn ich schreibe, dann geniesse ich diese Vielfalt, denn so kann ich die Sprache spüren und die richtige Kombination der Wörter herausfeilen, bis alles passt.

Nur beim Reden, da stolpere ich über diese Möglichkeiten. Ich will zu viel sagen, zu viel verschachteln, verhaspele mich. Mit den Sprichwörtern stehe ich dann auf Kriegsfuss, obwohl ich alle wichtigen kenne, wenn ich schreibe. Beim Reden verdrehe ich regelmässig Wörter, der Sinn geht verloren. Kaum ausgesprochen, merke ich die Fehler. Das kann sogar soweit gehen, dass ich genau das Gegenteil sage, von dem, was ich wirklich meine.

Ganz schlimm ist es, wenn ungeordnete Gruppen aus Menschen um mich stehen und reden. Zumeist sind dies Feste oder Versammlungen. Da fühlt sich der Raum wie ein Bienenstock an. Ich verstehe kein Wort mehr und werde still, rede kaum noch. Dann hilft mir nur noch das gezielte Fokussieren auf einzelne Personen.

Auch das Telefon fühlt sich nicht richtig an. Ich kein Gegenüber und auch die Mimik und Gestik fehlt, um alles richtig zu verstehen. Oft muss ich nachfragen, ob ich alles richtig verstanden habe.

Es gibt nur eine Ausnahme, da ist Reden einfach. Wenn es um meine Lieblingsthemen, meinen Wissenschatz in einem einzelnen Bereich, geht. Da kann ich meine Gesprächspartner in Grund und Boden reden – auch nicht wirklich gut, da ich es zu spät merke.

Zum Glück werde ich jedes Jahr älter und darf auf einen grösseren Erfahrungsschatz zurückgreifen. So fällt es mir heute wesentlich einfacher zu reden, als noch vor ein paar Jahren.

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